Ausstellung ‘Teresa von Avila’, Inselgalerie, Berlin
Teilnehmende Künstlerinnen:
Barbara Noculak (DE), Christine Seghers (NL), Concha Gay (ES), Concha Mayordomo (ES), Dolores Fernández (ES), Feyhan Bayik (TK), Franca Bartholomäi (DE), Guadalupe Luceño (ES), Hufreesh Dumasia (IN), Jolanta Wagner (PL), Juliane Ebner (DE), Liliana Kleiner (IL), Margret Kohler-Heilingsetzer (AT), Maria Cristina Carlini (IT), María Jesús Aragoneses (ES), Marianne Pitzen (DE), Marianne Schröder (DE), Marina Lange (SE), Rufa Fernández (ES), Süheyla Asçi (TK), Tina Schwichtenberg (DE)
Zahlreiche Projekte, wurden seit März 2014 zur Feier des 500. Geburtstags der Heiligen Teresa von Avila, vornehmlich eben in dieser Stadt, vorgestellt. Wir wollten unseres in Valladolid präsentieren und ihm zwei Merkmale verleihen, die es unseres Erachtens von anderen klar unterscheidet. Zum einen der feministische Ansatz in der Auseinandersetzung mit der Heiligen, zum andern seine grenzüberschreitende Natur. Es handelt sich um ein deutsch-spanisches Projekt, in dem Teresa einundzwanzig heutige Frauenblicke aus zehn Ländern vereint.
Das Interesse, das in unserer Zeit Teresa zukommt, scheint weniger an ihr als Reformatorin eines religiösen Ordens, als an ihrem Feminismus und ihrer mystischen Erfahrung zu liegen. “Erfahrung” durchdringt den gesamten Schriftenkorpus der Teresa und lässt sie somit als rundum neuzeitliche Frau erscheinen: “Ich werde nichts sagen, was ich nicht vielfach selber erfahren hätte” (V18,8). Diese Behauptung, eher noch Selbstbehauptung, bringt sie ins Visier der Inquisition, unter dem Verdacht, der Bewegung der Alumbrados anzugehören, die übrigens viele Conversos, zum Katholizismus konvertierte Juden, anzog. Bekanntlich entstammte auch Teresa, wie der Heilige Johann von Avila, einer konvertierten Familie.
Teresa überschreitet furchtlos die ihr als Frau auferlegten Vorschriften. Sie missachtet das Verbot, die Heiligen Schriften zu lesen. Sie verletzt die Pflicht, der Frauen unterlagen, laut zu beten und befürwortet das innere Gebet. In den Schriften des Francisco de Osuna (Drittes ABC des kontemplativen Betens) wird sie von der mystischen Theologie des Orients beeinflusst. Sie weist das sinnliche und intellektuelle im Gebet von sich, kurz, sie stellt die Intuition in den Vordergrund als Weg zur Erkenntnis, zur Erleuchtung, denn “das Bemühen, nichts denken zu wollen kann leicht tiefste Gedanken erwecken.” (4 M 3, 6).
Eine Frau, die einen Mönchsorden reformiert, eine “armselige unbeschuhte Nonne, ohne Hilfe von irgendwo her, außer der vom Herrn” (F 2, 6), der seine Macht darin zeigt, “einer Ameise Kühnheit einzuflößen!” (F 2, 7) Unerhört! Sie sprengt die Grenzen des gesellschaftlich und politischAnnehmbaren und wendet sich in tausenden Briefen an potenzielle Gönner, Adelige, ja selbst anKönig Phillip II, in dessen Geburtshaus, dem Palacio de Pimentel zu Valladolid, dieses Projekteröffnet wird. Sie wagt es, sich auf Texte der Evangelisten, ja auf die Beziehungen Jesu —nichtsweniger als das!— zu berufen, um die Rolle der Frau zu verteidigen. Sie sähe die Zeiten so, “dass es keinen Grund gibt, mutige und starke Seelen zu übergehen, und seien es die von Frauen.” (CE 4, 1)
Eines von vielen Beispielen theresianischen Feminismus’. Eine scharfe Kritik an der offiziellen Stellung von Kirche und Gesellschaft zur Rolle der Frau, aber auch an der frauenfeindlichen Haltung der “Richter” (der Inquisitoren). Wie geschickt sie doch ihr Plädoyer auf den Heiligen Schriften aufbaut, als Schutz vor der Inquisition! Übrigens wurde der Absatz von “mehr Glauben” bis “und seien es die von Frauen” (vollständig in der Fassung von El Escorial) von den (männlichen!) Korrektoren gestrichen, weshalb er in der zweiten autographen Fassung von Valladolid nicht mehr zu finden ist.Teresa stirbt, ohne dass ihr öffentliche Anerkennung für ihre gigantische Leistung zuteil kommt: die Wiedereinsetzung der ursprünglichen Karmelitenregel und die Schaffung einer eigenen Provinz fürden Barfüßerorden. Mit deren Leitung wird ein Mann beauftragt: ihr großer Freund Jerónimo Gracián.
Teresa siegt, doch keiner der hohen Prälaten erwähnt sie auch nur. Sie fühlt sich nicht betroffen, nur leben, “indem wir unsere Eigenliebe und unseren Eigensinn und die Bindung an jegliche irdischen Dinge” (5 M 2, 6) ablegen, ist ihr wichtig. Wir aber fühlen uns betroffen. Das Eröffnungsdatum unseres Projekts in Valladolid wurde nicht zufällig auf den 8. März gelegt, auf den Internationalen Frauentag. Wir gedenken der gigantischen Leistungen unzähliger Frauen, die sich in ihrem Kampf um Frauenrechte, Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit die Zähne ausbissen und, wie Teresa, totgeschwiegen bzw. bestenfalls von Politik, Kirche und Gesellschaft für Interessen, die nichts mit denBestrebungen und Zielen der Protagonistinnen zu tun hatten, ausgenutzt wurden.Teresa von Avila ist eines ihrer ehrenwertesten Beispiele. Ihr gilt unsere Hommage zu ihrem 500. Geburtstag durch 21 heterogene und internationale Frauenblicke, die uns eine mystische, doch auch alles überschreitende Teresa präsentieren.
Guadalupe Luceño / Ilse-Maria Dorfstecher / Kuratorinnen des Projekts